Interview der EnergieAgentur NRW mit Ralph Wortmann, erschienen in dem Buch „50 Solarsiedlungen in Nordrhein-Westfalen“.

Herr Wortmann, Sie sind ja von Anfang an mit den 50 Solarsiedlungen in NRW befasst, ist der Prozess aus Ihrer Sicht erfolgreich?
Mit dem Projekt 50 Solarsiedlungen haben wir viel erreicht. Das ist ein Meilenstein. Energieeffizienz ist inzwischen ein weltweiter Megatrend. Dass wir in NRW bereits vor über 10 Jahren angefangen haben, zeigt die Weitsicht einiger in unserem Land. Allerdings ist auch noch viel zu tun.

Steht der planerische und bauliche Aufwand in einem verträglichen Verhältnis zu den späteren Energieeinsparungen?
Das hängt immer vom Einzelfall ab. Um zu einer optimalen Lösung zu kommen, muss immer ein maßgeschneidertes Konzept auf eine konkrete Liegenschaft entwickelt werden. Es geht fast nie nur um Energieeinsparungen und ob sich das rechnet, sondern immer darum, welche Investitionen sich insgesamt rechnen. Dazu gehört, dass der Bauherr weiß, was an diesem Standort geht. Welche Investitionen sind noch vertretbar? Wohnumfeldverbesserungenund Grundrissoptimierungen sind Themen, die hinterfragt werden müssen. Erst dann entwickeln wir ein Energiekonzept. Die Wirtschaftlichkeit ist immer knapp, aber rechnet sich langfristig, wenn das Gesamtkonzept gut ist. Das liegt nicht nur an der Energieeffizienz, aber ohne sie wird es langfristig nicht funktionieren.

Sind diese komplexen Technologien Ihren Auftraggebern bzw. den Bauherren verständlich zu machen?
Der Bauherr muss die Energieeffizienz wirklich wollen und dazu die Weichen stellen. Energieeffizienz lässt sich nicht verordnen oder einfach einbauen. Nach dem Motto: Wir machen jetzt ein Passivhaus, dafür ist jemand zuständig und der Rest des Planerteams arbeitet wie sonst auch immer. Eine energieeffiziente Siedlung mit den entsprechenden Gebäuden entsteht in einem Optimierungsprozess. Dazu gehört auch die energetische Optimierung des Architektenentwurfs. Günstige Siedlungen und eben auch Gebäude entstehen, wenn Energieplaner und Architekten bereits im Entwurf eng zusammenarbeiten. Wenn diese beiden Gruppen aber nicht dazu beauftragt werden, können sie die Mehrarbeit auch nicht leisten.

Sie haben ja ein sehr breites Themenfeld zu lösen, wie ist die Vermittlung in das Handwerk?
Das lässt sich nicht generell beantworten. Umsetzung in die Praxis heißt für mich übrigens: Ausgehend von der Projektentwicklung über die Planung bis hin zum Bau gibt es drei Phasen. Hier haben wir hervorragende Beispiele, aber es ist auch klar, dass hohe Energieeffizienz noch nicht zum Standard gehört. Meist denkt man hier nur an die Handwerker, die noch hier und dort eine Schulung benötigen. Das ist sicher richtig, aber Weiterbildung ist für uns alle Pflicht. Eben auch wir Planer müssen uns stetig weiterentwickeln und unsere Konzepte prüfen. Energieeffizienz beginnt aber schon beim Bauherrn.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den Architekten in den Projekten erlebt?
Manche Optimierung ist höchstens „additiv“ zu nennen. Architekt entwirft, Fachingenieure arbeiten zu, aber das ist keine Optimierung, auch wenn man in Planungsbesprechungen lange um gute Lösungen ringt. Der Entwurf sollte auch in Frage gestellt werden dürfen. Wir benötigen den Regelkreis der Planung im Team. Es müssen alle mit mehreren „Durchläufen“ gemeinsam ein Optimum erarbeiten. Die solare Stadtplanung ist ein gutes Beispiel: Als wir die so genannte „energetische Vorprüfung“ städtebaulicher Strukturen etwa 1994 mit entwickelt haben, war der Aufschrei groß. Nur noch südorientierte Zeilenbauweise sei das Ziel, wurde uns vorgeworfen. Heute weiß man oder besser, wissen viele Stadtplaner, sinnvoll mit den Erkenntnissen umzugehen und setzen sie ein. Vermeidung von Verschattungen und andere energetische Berechnungen sind zusätzliche hilfreiche Aspekte bei der Entwicklung von Baugebieten. Im Prinzip wird die Zusammenarbeit mit Architekten und Stadtplanern immer besser. Es ist ein gesteigertes Interesse auf beiden Seiten vorhanden, die Belange der Energieeffizienz und der Gestaltung zu verknüpfen.

Wie sehen aus Ihrer Sicht die Gebäude-Versorgungslösungen der Zukunft, besonders im Hinblick auf erhöhte Dämmstandards, aus?
Die Frage zielt darauf ab, dass es irgendwann eine Technik geben wird, die Effizienz in höchstem Maße bietet. Es ist der Wunsch nach dem Königsweg, der Wunsch, dass alles einfacher wird. Eigentlich ist es aber jetzt schon ganz einfach! Zunächst muss das Haus so wenig Energie verbrauchen wie möglich. Das betrifft die Dämmung und auch die Lüftung mit möglichst hohem Wärmerückgewinnungsgrad. Erst dann ist die Frage nach der Technik der Bereitstellung für Heizung und Wärme zu beantworten. Weil man aber nur noch wenig verbraucht, kann man mit einer vermeintlich ungünstigen Versorgungslösung auch nur weniger falsch machen. Denn niemand weiß, wie sich Energiepreise entwickeln. Dass sie steigen ist klar, aber keiner kennt die Steigerungsraten. Wenn man heute plant und baut, entscheidet man sich beim Gebäude für die nächsten 40 – 50 Jahre, darum ist Dämmung so wichtig. Bei der Technik entscheidet man sich aber nur für die nächsten 15 – 25 Jahre! Erdgas ist daher jetzt sicherlich noch ein Thema. Warum sollte es innovativ und ökologisch sein, es im ÖPNV einzusetzen und bei der Gebäudeheizung nicht? Strom wird sicherlich eine Schlüsselrolle für die Zukunft spielen. Wärmepumpen werden in der Regel mit Strom betrieben. Aber man muss natürlich darauf achten, woher der Strom kommt. Derzeitig ist Strom noch recht „schmutzig“, daher ist eine Wärmepumpe auch nicht per se „sauber“. Biomasse ist ebenfalls eine Zukunftstechnologie. Aber nirgendwo muss so sehr auf das Gesamtkonzept geachtet werden wie bei der Biomasse. Zu groß ist die Versuchung, die guten Ökokennwerte der Biomasse zu nutzen, um Dämmung einzusparen.